Schwäbische Zeitung 17.10.2006
Durchs Netz geblinzelt
Sonnenschein in Baustetten, Nachbeben in Laupheim

Von Andreas Wagner und Reiner Schick
 
Hoch „Olaf“ lässt derzeit die Sonne über Deutschland lachen, vermelden die Meteorologen – wobei Baustetten seit Sonntag eher unter dem Einfluss des Hochs „Florian“ liegt, in Anspielung an den dreifachen Torschützen im Verbandsliga-Derby mit Nachnamen Hartmann. Wie auch immer liegt eine Hochstimmung über dem kleinen Ort vor den Toren Laupheims, seit der Aufsteiger den scheinbar übermächtigen Nachbarn FV Olympia mit 3:0 geschlagen und damit fast gedemütigt hat. „Wir haben uns sehr gefreut und gefeiert, aber in normalem Rahmen“, sagt Karl-Heinz Lemke, der viele Jahre seines Fußballerlebens beim Lokalrivalen verbrachte und seit knapp einem halben Jahr beim SVB Spielleiter ist. Auch für ihn sei die Freude groß gewesen, „obwohl ich ein Olympianer bin“. Aber wenn er für eine Mannschaft tätig sei, „dann will ich auch gewinnen“. Und dies war im Derby der Fall.
Durch den Sieg überholte Baustetten den Lokalrivalen in der Tabelle und rückte sogar auf den vierten Platz vor – nur vier Punkte hinter dem Spitzenreiter Schwieberdingen. Ist der Aufsteiger nun dabei, sein Saisonziel zu überarbeiten? Nein, stellt Lemke klar, „die vorderen Plätze sind für uns kein Thema, für uns geht es weiter nur um den Klassenerhalt. Zum Viertletzten sind es nur vier Punkte. Ein Spiel verlieren, und es sieht schon wieder ganz anders aus.“ Damit die Abstiegszone auf Distanz bleibt, dafür hat Baustetten personell zugelegt. Mit Jan Melichercik zog Trainer Gursel Purovic ein Ass aus dem Ärmel, der, wenn er wieder regelmäßig trainiert, noch wertvoller werden kann. Der Slowake arbeitet derzeit in Norditalien, reiste eigens zum Derby an und fuhr danach wieder zurück. Das soll sich ändern. Im November laufe sein Arbeitsvertrag südlich der Alpen aus, sagt Lemke. Dann wird der Abwehrspieler dort wohl seine Zelte abbrechen. „Es bringt nichts, wenn er immer 400 Kilometer zum Spiel herfährt.“

Auch Überraschungs-Neuzugang Jan Melichercik (rechts, im 
Zweikampf mit Roland Regenbogen) hatte seinen Anteil daran, 
dass der SV Baustetten im Verbandsliga-Derby dem FV Olympia 
Laupheim überlegen war. SZ-Foto: Volker Strohmaier 
Melichercik mag ein Grund gewesen sein, warum der SV Baustetten das Derby so klar für sich entschieden hat. Aber es gibt weitere, über die die Fans in den Stunden danach trefflich diskutierten. Trainer Gursel Purovic hat sich auch seine Gedanken gemacht – und dabei kam Überraschendes heraus. „Vielleicht ist uns die Uhrzeit entgegengekommen.“ Um 11 Uhr morgens war Anpfiff. „Das ist ein Vorteil für jüngere Spieler, die früher in ihren Rhythmus finden“, führt Purovic seine Theorie weiter aus. Das würde passen, wenn man bedenkt, dass am Sonntagmorgen gerne Jugendspiele angesetzt werden, während man die Alten Herren oft gegen Abend aufs Feld bittet. Was das Derby in Baustetten angeht, mögen einen aber Zweifel beschleichen: Zum einen war das Durchschnittsalter beider Mannschaften nicht so unterschiedlich – Baustetten: 25, Laupheim: 26,2 – zum anderen gehörte Torschütze Florian Hartmann zu den aufgewecktesten Spielern auf dem Platz. Und der SVB-Stürmer war mit seinen 30 Jahren der Fünftälteste von insgesamt 27 eingesetzten Spielern. Die Purovic-These scheint noch nicht ganz ausgereift.
Bei der Olympia wiederum waren es die Routiniers, die nach dem Spiel die meiste Schelte abkriegten. „Den Jungen mache ich keinen Vorwurf, aber von den Erfahrenen hätte ich erwartet, dass sie auf dem Platz die Ärmel hochkrempeln, wenn es schon spielerisch nicht läuft“, sagte Trainer Klaus Weisbrich, und mancher enttäuschte Laupheimer Fan und Vereinsverantwortliche äußerte sich ähnlich.
Vorsitzender Heinz Schwarzkopf indes nahm bei seiner Kritik keine Trennung nach Jahrgängen vor: „Ob erfahren oder unerfahren – die Leistung war schlicht indiskutabel und keines Verbandsligisten würdig. Am Sonntag waren viele Leute da, die sonst nicht auf den Sportplatz gehen, aber sich dieses Spiel nicht entgehen lassen wollten. Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns da von einer besseren Seite gezeigt hätten. Ich bin maßlos enttäuscht, ich habe mich geschämt für die Leistung unserer Mannschaft.“ Dabei habe der Vorstand am Donnerstag beim Abschlusstraining der Mannschaft nochmals klar gemacht, dass es sich um kein normales Auswärtsspiel handle, sondern um ein traditions- und rivalitätsbehaftetes Derby: „Das haben die Spieler offenbar nicht begriffen, auf dem Platz haben sie es zumindest nicht rübergebracht.“
Der erfahrenste Olympia-Spieler, Ex-Bundesligaprofi Oliver Unsöld, hatte vor der Partie von einem „ganz normalen Spiel“ gesprochen – und stand auch hinterher zu dieser Aussage: „Die Jungs wissen alle, was ein Derby ist. Aber es bringt doch nichts, wenn wir die Spieler die ganze Woche heiß machen, sie nachher im Spiel über die Stränge hauen, wir zwei Rote Karten kassieren und hinterher heißt‘s: Was war denn mit euch los?“ Es sei ihm sehr wohl bewusst, „dass wir schlecht gespielt haben“, doch das betreffe die gesamte Mannschaft – mit Ausnahme von Torhüter Florian Steeb: „Der war die ärmste Sau. Selbst im Training komme ich nicht so frei vor ihm zum Schuss wie die Baustetter am Sonntag.“ Man werde die Fehler unter der Woche „sicher auch analysieren“, ein „Grund zur Panik“ bestehe indes nicht: „Ich bin keiner, der nach einem guten Spiel in Euphorie verfällt. Aber genauso rede ich nach einem schwachen Spiel nicht gleich alles schlecht. Wir haben in dieser Saison schon gezeigt, dass wir besser spielen können und werden das am Samstag gegen Gärtringen auch tun.“
Sicher nicht dabei sein wird Stürmer Özkan Tokmak, der aus dem Kader für beide Olympia-Mannschaften geworfen wurde. Das hatte nichts mit dem Spiel in Baustetten zu tun – da war er schon nicht mehr dabei – sondern mit dem Verhalten des Ex-Auers in den Wochen zuvor. Aus Unzufriedenheit über seine Reservistenrolle habe er so lange gestänkert, bis den Verantwortlichen der Kragen platzte. „Wir können keine Spieler brauchen, die nicht mitziehen und ständig stören. Also haben wir ihn entfernt“, sagte der Ex-Vorsitzende und heutige Mann für Sonderaufgaben im Vorstand, Klaus Breitenfeld. So viel Entschlossenheit hätte sich mancher Olympia-Anhänger am Sonntag von seiner Mannschaft gewünscht.

zum Artikel nach dem Spiel aus der Schwäbischen Zeitung